Die Diskrepanz zwischen Medienmachern und ihrem Auditorium

In schöner Regelmäßigkeit bestätigen Studien, was wir eigentlich alle an unserem eigenen Verhalten ablesen können: Mediennutzer verbringen immer mehr Zeit mit dem Konsum von Medien unterschiedlicher Art. Mehr als zehn Stunden täglich sind wir medial unterwegs, bescheinigt uns der Media Activity Guide der Seven One Media GmbH. Das meint private Nutzung wohlgemerkt – die tägliche Arbeit am Rechner mit Internet und Smartphone ist da noch gar nicht dabei.

Zehn Stunden – das geht natürlich nur, wenn wir mehrere Medien gleichzeitig konsumieren: vorm Fernseher sitzend, gleichzeitig Zusatzinformationen per Tablet ersurfend, während der Chat auf dem Smartphone läuft. Ganz normal und kein Problem soweit. Für die Medienmacher ist allerdings genau das die Herausforderung: Massenhaft Content sucht auf unglaublich vielen, schnelllebigen Kanälen sein Auditorium. Und verfehlt es oft genug.

Gehirngerecht, situationsabhängig und snackable

Medienmacher beschreiten deshalb schon längst digitale Pfade, probieren aus und wagen neue Kanäle – und versuchen dabei allzu oft, ihr analoges Geschäftsmodell aus Abos und bewährten Formaten in die digitale Welt zu übertragen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das nicht reichen wird.

Denn eben jenes Auditorium konsumiert zwar digital, verhält sich dabei aber keineswegs analog. Während der Nutzer always-on und immer erreichbar ist, sucht er interessanten Content per Suchmaschine und nicht im Fachmedium, hört manchmal lieber als das er liest, mag kurzweiliges Video-Entertainment und bereitet sich gleichzeitig auf den ungestörten Genuss seiner Lieblings-Streaming-Serie vor. Es ist eine Krux – wann will er was und wie erreicht man ihn?

Ich glaube, wir Medien-Auskenner sollten unseren Blickwinkel einmal mehr ändern – weg vom reinen digitalisierten Geschäftsmodell hin zum digitalen User

High Intent Micro Moment

Ich glaube, wir Medien-Auskenner sollten unseren Blickwinkel einmal mehr ändern – weg vom reinen digitalisierten Geschäftsmodell hin zum digitalen User. Denn welchen Content dieser über welche Medien konsumiert, ist stark von seiner Lebensphase und Situation abhängig, in der er sich gerade befindet. Auf die Content-Bereitstellung hat das konkrete Auswirkungen: Wir brauchen mehr verschiedene und flexiblere Formate, die den Content zum unkompliziert konsumierbaren und dabei gleichzeitig hochwertigen Snack werden lassen.

Das Konzept des „High Intent Micro Moment“, vor allem von dem dänischen Medienanalysten Thomas Baekdal propagiert, versucht, dies zu umreißen. Content wird dann konsumiert und als bezahlenswert empfunden werden, wenn er vom Nutzer gewollt ist, in einem passenden Format vorliegt und die notwendige Fach-Qualität hat. Genau das, was Streaming-Dienste heute mit aufwendig produzierten Serien erreichen – nämlich eine starke User-Bindung und Fan-Gemeinschaft, die Geld für das Angebot bezahlt – sollten Medienmacher adaptieren und auf ihre eigene Art der Inhalte anpassen. Denn natürlich kann es für Publisher kaum um die Produktion von stundenlangen Filmsequenzen gehen. Wohl aber um das Konzept des hochwertigen, userorientiert gestalteten Contents.

Eine Randerscheinung der Digitalisierung der Medien möchte ich noch kurz ansprechen: Auf Biegen und Brechen platzierte Online-Werbung ist kontraproduktiv. Da Online-Abo-Modelle sich kaum selbst tragen, trotzdem aber Geld verdient werden muss, neigen manche Publisher dazu, ihren Content mit Werbung zu überkleben. User, die immer wieder Werbung wegclicken müssen oder aus Versehen auf Clickbaits hereinfallen, werden tendenziell eher noch weniger bereit sein, für Content zu bezahlen. Der Respekt vor der Zeit des Nutzers erscheint mir auch in diesem Zusammenhang als wertvolles Kundenbindungstool.

Über Jens Gützkow

Jens Gützkow ist Mitbegründer und Geschäftsführer von PressMatrix. 2011 gegründet, unterstützt das Unternehmen Publisher bei der Entwicklung und Umsetzung von digitalen Monetarisierungsmodellen. Bereits zuvor prägten Jens Gützkow und von ihm mitgegründete Start-ups die Evolution digitaler Geschäftsmodelle mit: Schon lange bevor es App Stores gab, beschäftigte er sich mit Mobile Apps. Er brachte eine Videoplattform mit innovativem Umsatzkonzept auf den Weg und unterstützte u. a. das EU Forschungsprojekt „P2P Next“.

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